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Mit Kompressionsstrümpfen zur Fashion Week – Meine Impressionen

Mit Kompressionsstrümpfen zur Fashion Week Jan 2017

Die Fashion Week war für mich eine sehr aufregendes und spannendes Event. Es war das erste Mal, dass ich nach Berlin gefahren bin, um dieses große Ereignis persönlich miterleben zu können. Bis jetzt habe ich die Fashion Week immer nur am Computerbildschirm mitverfolgt. Ich habe mich mit großen Erwartungen, aber auch mit Ängsten in meinen Kompressionsstrümpfen auf den Weg gemacht und habe positive, aber auch negative Erfahrungen gesammelt. An insgesamt vier Tagen habe ich mit einer guten Freundin Shows, Messen und Parties besucht. Für mich war es eine besondere Erfahrung, da ich mir mit dem Besuch der Fashion Week nicht nur einen großen Wunsch erfüllen konnte, sondern auch gleichzeitig zeigen möchte, dass wir Frauen, trotz unserer Erkrankung und der Kompressionsstrümpfe, unsere Träume leben können.

Es spielt keine Rolle, welche Träume oder Wünsche ihr habt. Lasst nicht zu, dass das Lip, Lipo-Lymph- oder Lymphödem euch daran hindert! Das möchte ich an dieser Stelle betonen!!

Ihr könnt mir glauben, dass es mir nicht leicht gefallen ist mit meiner Erkrankung zwischen den sehr schlanken und nahezu perfekt aussehenden Menschen zu sitzen. Die Tatsache, dass ich meine Kompressionsstrumpfhosen noch dabei getragen habe, hat nicht immer positiv zu meinem Gemütszustand beigetragen. Aber was ist die Alternative?? Ich könnte natürlich weiterhin die Modebranche aus der weiten Ferne beobachten und mich zu Hause verstecken. Natürlich könnte ich mich stets zurückhaltend kleiden und bloß nicht auffallen wollen. Aber ich liebe Mode. Es ist für mich eine Art der freien Entfaltung und eine Form meine Persönlichkeit nach außen künstlerisch zu zeigen. Das Lipödem macht mich traurig und verunsichert mich auch in meinem Auftreten. Aber meine Leidenschaft nicht ausleben zu können, würde mich nur unglücklich machen.

Die Erkrankung hat vielleicht eine große Macht über unseren Körper, aber nicht zwangsläufig über unser Leben!

Am Ende des Tages kommt es darauf an, was wir aus unserer Situation machen. Ihr solltet euch fragen, ob euer Glas halb voll oder leer ist. Ich habe irgendwann die Entscheidung getroffen, dass ich trotz der Schmerzen, blauer Flecken und frustrierter Tage, weil meine Beine morgens schon schwach sind, meine Träume wahr werden lassen will. Setzt euch Ziele und hört nie auf sie zu verfolgen!

Hier geht es allerdings nicht nur um die persönliche Entfaltung, sondern auch um die Tatsache, dass wir eine Frauengruppe sind, die auch ein Anrecht darauf hat, an der Modewelt teilzunehmen. Ich bin der Meinung, dass wir nicht ignoriert werden dürfen. Es kann nicht sein, dass moderne Schnitte und Trendteile oft nur für sehr schlanke Frauen erhältlich sind. Ich bin nicht übergewichtig, habe aber aufgrund meiner Proportionen und dem Lipödem oft Schwierigkeiten Hosen und Stiefel zu finden, die mir passen. Manchmal muss ich Jeans zwei Nummern größer kaufen! Was sollen dann Frauen machen, die tatsächlich übergewichtig sind? Hier und da gibt es Unternehmen, die auch für kurvige und Plussize-Frauen ein gutes Angebot an vielfältiger Kleidung anbieten. Asos ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel dafür. Ansonsten müssen wir mit Problemfiguren zu unspektakulären Kleidungsstücken greifen. Mit Adipositas ist es noch viel schlimmer. Ich kann es nicht anders formulieren. Die Kleidungsstücke sind oft einfach „altbacken“. Das hat mit „stylisch“ bei weitem nichts zu tun.

Bei der Fashion Week wurde ich oft angestarrt. Schon komisch, dass man in einer so schrillen und bunten Welt tatsächlich mit so einem allseits bekannten Kleidungsstück wie Kompressionsstrümpfen auffällt. Das Problem ist einfach, dass die meisten Menschen bei einer Versorgung oft an hautfarbene Strümpfe bei älteren Menschen denken. Mir ist aufgefallen, dass Leute häufig nicht wissen, wie sie reagieren sollen, wenn sie erfahren, dass ich einen Modeblog für Kompressionsträger habe. Manchmal werde ich belächelt, manchmal sind die Menschen tatsächlich überrascht und interessiert. Das Unbekannte stößt nun mal auch in der Modewelt auf Vorurteile und Skepsis. Kein Wunder, wenn man sich mal die Maße der Models anschaut. Meiner Meinung nach müssen wir stärker für uns und die Gruppe von Frauen, die wir repräsentieren, einstehen und den Menschen unsere Geschichte und Lebenssituation näher bringen. Nur so können wir es irgendwann erreichen, dass auf unsere textilen Bedürfnisse tatsächlich auch eingegangen wird. Einerseits habe ich mich bei der Fashion Week fehl am Platz gefühlt und andererseits war ich stolz auf mich. Denn nur so kann meine Stimme auch irgendwann auf Gehör stoßen. Dass nicht jeder von uns das Selbstbewusstsein hat so aufzutreten, ist für mich mehr als verständlich. Deshalb kämpfe ich für mehr Akzeptanz und Offenheit, damit sich jeder frei fühlen kann. Denn das ist das, was wirklich zählt.

Fashion Week Januar 2017 in Berlin

Fashion Week Januar 2017 in Berlin